Das Internet ist krank.

Das Internet ist krank.

Das Internet ist krank
Das Internet ist krank

Mein Vertrauen ins Internet ist ernsthaft erschüttert. Nicht oberflächlich – da sage ich mir: es wird schon alles so weiterlaufen wie bisher. Sondern grundlegend: macht es überhaupt noch Sinn, digitale Wege zu nutzen? Es geht nicht mehr um Freiheit und Kreativität – es geht um Überwachung und Manipulation. … Eigentlich hatte ich diese Zeilen eben bei Google+ gepostet. Doch in dem Moment, wo ich sie veröffentlicht habe, fiel mir auf, dass das ja schon wieder der Plan des Systems ist. Ich habe mir vorgenommen, die kleinen Diskussionspostings in Zukunft nicht mehr bei Google+ oder facebook zu posten, sondern auch dafür hier den Blog zu nutzen.

Natürlich ist es damit auch öffentlich und überwachbar – aber es liegt immerhin auf meinen Seiten. Auf einem von mir betriebenen Blog, auf einem von mir gewählten Server.

Ich habe bereits vor ein paar Tagen drüber geschrieben. Das Internet war mal mit hären Zielen angetreten: Freiheit der Kommunikation, Überwindung lokaler Barrieren, Freundschaften unabhängig von Alter, Bildung und Herkunft, unabhängige Kontrolle staatlicher Willkür, hoch-effiziente Kommuikationsprozesse und so weiter, alles schnell, kostengünstig und einfach. Doch nun zeigt sich, dass das Internet vor allem ein ideales Mittel ist, um Menschen zu überwachen. Im nächsten Schritt wird aus der Überwachung Kontrolle, und dann Manipulation. Die NSA-Spitzel haben ihre Vorbilder offenbar in der Steinzeit: Jäger und Sammler …

Jäger, Sammler, Ackerbauern ...
Jäger, Sammler, Ackerbauern …

Es scheint keinen Weg zu geben, das Problem in den Griff zu bekommen. Die europäische bzw. deutsche Delegation in den USA ist doch ein Witz. Was erwarten die denn? Dass die NSA sagt: OK, wir hören auf, Euch zu überwachen. Es tut uns sooo leid. Machen wir nie wieder *schluchz* – und sich dann daran hält?! … Diese Vorstellung ist nicht nur naiv, sie ist vor allem peinlich. Aber: jetzt mit Droh-Rhetorik zu beginnen, ist noch gefährlicher. Man muss langsam schon Sorge haben, dass sich der Information-Krieg nicht auf andere Bereiche auswächst.

Frust ...
Frust …

Nein, aus meiner Sicht gibt es nur einen Weg: wir müssen die Hoffnungen, die wir in das Internet gesetzt haben, begraben. Das Internet ist krank, es ist von einem krebsartigen Geschwür befallen, und nachdem wir lange die Augen davor verschlossen hatten, kommt es nun ans Tageslicht. Amputieren oder zugrunde gehen, dass ist der Scheideweg, an dem wir uns befinden. Ich denke, wir müssen uns wieder an analoge Systeme gewöhnen. Das klingt vielleicht auch sehr naiv, aber ich sehe zur Zeit keinen anderen Weg…

Was meint ihr?

Das schrieben andere …

Das Internet ist krank.
Das Internet ist krank.

24 Gedanken zu „Das Internet ist krank.

  1. Wir geben hier nichts auf. Wir haben genau zwei Möglichkeiten: Die, die uns überwachen zuspammen und unsere Sprache verändern. Wir füttern das System fett bis es platzt bzw. in dem Fall ineffektiv wird.

    1. Ich fürchte, dass der Spam einfach als solcher gefiltert werden kann. Und es sind ja automatisierte Systeme. Bei manueller Kontrolle würde ich sagen: ok, vielleicht. Aber die Algorithmen juckt das doch nicht.
      Außerdem ist es natürlich auch krank, das System aufwändig mit falschmeldungen zu füttern. Für Nerds mag das gehen, aber für „normale“ Menschen oder Firmen sicherlich kein gangbarer Weg. Oder?

  2. Ja, das Thema ist interessant und furchtbar frustrierend zugleich. Immer wieder, wenn man meint man ist als Mitglied der Gesellschaft der Überwachung irgendwelcher außer Kontrolle geratener Dienste entflohen, kommt der nächste Schlag.

    Erst diese Woche habe ich den Alternativlos-Podcast Folge 30 über die Geschichte der Kryptographie und die Crypto-Wars gehört. Welche Wege die Geheimdienst gehen wenn sie an Informationen kommen wollen, das ist schon furchterregend – wenn auch manchmal sogar witzig.

    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die NSA mit ihren Aktionen aufhört, nur weil da ein paar armselige Europäer vor der Tür stehen und schimpfen.

    1. ja, das Thema inspiriert sehr viele zu lustigen Beiträgen. Mich ja auch. Nur wird es dadurch immer verharmlost. Sind wir schon so weit, dass man denkt, dass man nichts mehr ändern kann? Galgenhumor?

  3. „wieder an analoge Systeme gewöhnen“

    Auch Postsendungen werden mittlerweile gescannt und gespeichert,
    die Metadaten (Absender, Empfänger) ausgewertet.

    Bei persönlichen Besuchen muss schon der Akku aus dem Handy genommen werden, wenn der nicht fest eingebaut ist. Auto sammelt auch Daten. RFID-Karten ermöglichen Bewegungsprofile. Überwachungskameras werden mit Gesichtserkennung aufgerüstet.

    So leicht ist der Weg „zurück“ zur Anonymität nicht.

    1. ja, vollkommen richtig. Vor allem würde das irre teuer … Dummerweise kommt der Skandal erst jetzt. Die Mahner vergangener Tage wurde milde belächelt, aber es ist so gekommen. Ich prophezeie jetzt schon, dass das, was wir zur Zeit mit der NSA erleben, in wenigen Jahren mit Google passieren wird. Und auch dann werden alle sagen: wir können nicht mehr darauf verzichten.

      1. Wir müssen versuchen, eine „analoge Infrastruktur“ zumindest für eine temporäre Nutzung aufrecht zu erhalten:
        zahlen mit Bargeld, gedruckte Medien, Radio/TV ohne Internet, RFID-freie Gegenstände etc.

  4. Nun, George Orwell wäre entsetzt; seine Vision wurde tausendfach übertroffen.
    Und etwas mehr Offlinewelt kann uns bestimmt nicht schaden, Martin.

    Wobei…
    Müssen wir alles so schwarz sehen?
    Die Geheimdienste sind wie Mütter, die ihre Kleinen nicht überwachen, sondern ein wachsames und wohlwollendes Auge auf sie haben. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

    Wobei wir wieder beim Thema Galgenhumor sind.

  5. Hi, ich kann das Gefühl der Überwachbarkeit gut nachvollziehen. Da möchte ich gelegentlich auch gern die Brocken hinwerfen und wie die Familie Robinson in die weite Wildnis Alaskas ziehen, eine Blockhütte bauen und nur noch Bären jagen oder Lachse fischen. Leben um zu Überleben sozusagen. Aber ein Ausweg ist das sicher auch nicht, sich der digitalen Welt zu entziehen.

    So wie ich das sehe, sind wir – ich sage mal „Online Menschen“ – einfach noch in der Minderheit, sonst hätten wir jetzt vermutlich eine andere Regierung gewählt, die sich dem Thema intensiver annimmt. Ich denke, es hilft derzeit nur größerer Druck, um die Vorgänge transparenter zu machen, denn sicher wird die NSA nichts stoppen. Und es muss unbedingt weiter öffentlich kritisiert und diskutiert werden und das gern auch dort, wo es möglicherweise Ärger erzeugt, als bei Google, Facebook & Co.

    Und das betrifft nicht nur die Aktivitäten der Geheimdienste, denn dass unser BND da so harmlos ist, wie er suggeriert, glaube ich kaum. Ich würde mir auch wünschen, dass es bei technischen Neuerungen, wie Apps oder auch GoogleGlass kritische Diskussionen gibt, denn so sinnvoll und nützlich, wie alle diese kleinen Helfer auch sind, sie eröffnen Datensammlern prinzipiell auch ungeahnte Überwachungsmöglichkeiten.

    Und wenn ich so drüber nachdenke, was du eingangs geschrieben hast, denke ich, dass die Online Wirtschaft insgesamt doch vielleicht gar nicht mehr so klein und unwichtig ist. Wenn hier nun aber massiv auf die Kreativitätsbremse getreten wird, weil sich das Gefühl der permanenten Überwachung manifestiert, dürfte das auch volkswirtschaftlich zu spüren sein? Das könnte doch auch ein wenig Munition für die Interessenvertreter sein.

  6. Ich habe kürzlich ein älteres Interview bei Radio4SEO gehört, in dem der Interviewte gefragt wurde, was er denn machen würde, wenn es das Internet nicht gäbe.

    Die Antwort war: „Hmmm, ich kann nichts anderes!“

    1. Das gleiche Problem habe ich auch. Ausgebildeter Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. Da ich früher auf ner Fachoberschule für Wirtschaftsinformatik war wurde größtenteils nur Rechnungswesen und Informatik behandelt. Wäre die einzigste alternative sich zu irgendeinem Buchhalterischen Beruf ausbilden zu lassen.

      Mittlerweile arbeiten so viele Leute in der IT, das ich nicht wissen will was passiert, wenn es das Internet von dem ein auf den anderen Moment nicht mehr geben würde.

    2. Geht mir auch so … wenn ich 100 Jahre in der Zeit zurückgeworfen werden würde, hätte ich gar keine Ahnung von irgendeinem damals üblichen Beruf.

      Das Internet wird weiterbestehen und so sehr zum Leben gehören, wie elektrischer Strom. Aber viele Entwicklungen werden dennoch unerfreulich sein.

    3. @Max und Thomas,
      so ist es.

      Wir haben den kritischen Punkt schon längst überschritten.

      Es gibt viele Berufsgruppen, die einfach mitmachen müssen, weil die Existenz davon abhängt.

      Und selbst Leute wie ich, die beruflich eigentlich etwas ganz anderes machen, sind bereit, viele Dinge zu tolerieren, „weil man ja schon so viel Arbeit in die eigenen Projekte gesteckt hat“.

      Mein Respekt vor Martin, wenn er künftig die Internet-Projekte sein lässt und nur noch malen sollte.

  7. Das Internet ist in der Tat krank und infektiös. Entgegen der allgemeinen Auffassung hin, hat die Gesellschaft dem Internet angedichtet ein freies Medium zu sein. Eine Entwicklung zur Übertragung von militärischen Dokumenten vom Militär durch das Militär, kann wohl kaum gleichzusetzen sein mit einer freiheitlich-demokratischen Institution, mit eigenen Normen und Gesetzen.

    In einem Wahn und sicherlich auch in einem Anfall gesitiger Umnachtung fällt langsam jenes Konstrukt von Schutz und Sicherheit zusammen, was als solches erdacht wurde.

    Interessant fände ich in diesem Zusammenhang die Kennzahl derer, die das Internet wirklich so nutzen, wie wir es tun. Der Großteil – und das vergisst man bedingt durch die eigenen Filterblase – nutzt es für sinnfreie Facebook-Postings, einfache Blogs (wenn überhaupt), dem Verschicken von aufgezwungenen Mails oder anderem groben Unfug. Denn dem normalen Webuser ist das Alles doch ziemlich egal.

  8. Ich persönlich bekomme immer mehr Angst vor der Sammelwut der Suchmaschinen.
    Man wird immer öfter gezwungen Adwords zu schalten. Richtet man seine Kampagnen voll ein, können die Sumas sogar sehen, was im Monat an Umsatz generiert wird. Für Firmen bedeutet das, Google verkauft diese ausgeklügelten Daten an Banken. Diese entscheiden dann über Erfolg oder Mißerfolg einer Firma.

    Spinnt man das ganze weiter, so wird die Suchmaschine eines Tages Boni Abfragen etc. beherschen. Dann werden nur noch solvente Kunden von den Suchmaschinen bedient.
    Mir graut ein wenig vor der Zukunft.

    Gruß Scubi

  9. Neben der Überwachung ist für mich die Monopolbildung im Internet ein Phänomen, das ich unzufrieden beobachte: Du schreibst ja selbst, dass Du die Diskussion fast in sozialen Medien gestartet hättest. Der Suchmaschinenmarkt in Deutschland ist monopolisiert, und – wenn man wohlwollend zählt – zwei soziale Medien greifen Gruppen ab, die früher eigene Webseiten betrieben hätten. Das Internet entwickelt sich weiter, seine Diversität geht durch die zahlreichen Monopole verloren.

    Die Überwachung selbst stellt einen vor unlösbare Probleme, denn wer hat schon den Sachverstand, ihr zu entgehen? Wer weiss schon, was der Computer oder das Smartphone im Hintergrund so für Daten senden?

  10. naja – lebe in thailand – da sind mehr als 7000 internet-domains – vorwiegend pornographischer natur, allerdings zunehmend auch systemkritische blogs – durch die Regierung blockiert. ist ja die asiatische vorzeigedemokratie :-)

  11. Ich kann zumindest sagen „ich kannte das freie Internet. Ich habe darin gewildert, mich verfranst, verfahren, Spaß gehabt…“

    So wie es mal war wird es nicht mehr sein. Ok, klingt etwas sozialromantisch, aber irgendwie ist es so. Zumindest für die, die auch noch die Zeiten kennen wo man Computermagazine kaufte um an Internetadressen zu kommen – mangels Suchmaschinen.

    Diejenigen die sozusagen „neu“ einsteigen werden sich kaum Gedanken machen. Diese werden vielleicht nur meckern weil es noch ein Häkchen bezüglich Datenschutzrichtlinien zu setzen gibt.

    Da fällt mir ein, wenn denn Google, NSA und Co. soviel Daten nutzen wäre es nur logisch diese auch für den Strukturausbau „Glasfaserkabel“ heran zu ziehen.

  12. Ich frage mich, wieso so wenige von uns bereit sind, wenigstens von gmail, skype, facebook und co wegzugehen? Nur so können wir den konzernen, die den geheimdiensten dabei helfen, uns zu überwachen, zeigen dass wir damit nicht einverstanden sind.

    Würden wir unsere accounts dort löschen, würde der druck durch die konzerne auf regierungen und geheimdienste immens steigen. Schließlich sind wir es, mit denen die konzerne ihr geld verdienen.

    Aber die meisten von uns nutzen einfach weiter gmail und co, obwohl es alternativen gibt :(

  13. Martin, Du sprichst mir aus der Seele.

    Als Informatiker gehöre ich zu jenen, die seit Jahren die Probleme der digitalen Welt ansprechen und die Digitalisierung sehr kritisch beachten.

    Als Webentwickler vertrete ich gegenüber meinen Kunden weiterhin den Weg, die Finger von Google Analytics, Facebook, Google+ etc. pp. zu lassen und löse damit oftmals – außerhalb der Informatikerkreise – sehr viel Unverständnis aus.

    Die letzten Monate haben nun fürwahr gezeigt, dass es um den Zustand der digitalen Welt noch viel schlimmer bestellt ist als bereits angenommen (und schon im letzten Jahrtausend hatten wir E-Mails mit dem Spruch: „Diese Nachricht wird von der NSA gelesen“ beendet).

    Während also die technologische Entwicklung weiter rasend fortschreitet, hechelt die gesellschaftliche Entwicklung und der Diskurs über Sinn, Nutzen und Gefahren der digitalen Systeme komplett hinterher. Durchschnittsbürger nutzen Facebook und Co. ohne Gedanken über Konsequenzen, Unternehmen digitalisieren ihre Prozesse ohne Gedanken über Sicherheit, neue Abhängigkeiten von den neuen Systemen und die Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Denn neben Datenschutz- und Demokratieaushöhlungsproblematik führt das Informationszeitalter auch zu einer massiven Verlagerung auf dem Arbeitsmarkt. Das produzierende Gewerbe ist bereits voll erfasst, Automatisierungen ersetzen Mitarbeiter, der Dienstleistungssektor wird bereits angegriffen (Watson, Siri u.ä. Systeme werden bald alle Supportabteilungen ersetzen) und zugleich erfolgt auch die komplette Überwachung des Personals.

    So schmilzt alle Freude des Aufbruchs, solange die Gesellschaft nicht anfängt, sich im einem sehr breiten Diskurs mit diesen Änderungen auseinandersetzen und auch privat alle „Errungenschaften“ kritisch zu hinterfragen, anstatt weiter einfach dem Stream irrelevanter Äußerungen angeblicher Freunde auf Facebook und Co. zu folgen.

    Als Kind träumte ich nicht vom Raumfahrer oder der Feuerwehr, sondern dem Leben der Schafhirten in freier Natur. In kurzen Tagträumen heutzutage bin ich bei diesem irrealen Eskapismus wieder angekommen…

  14. Hi,

    also ich bin fast derselben Meinung, jedoch denke ich, dass sich jeder, der sich dem System widersetzen will und nicht überwacht werden will dies auch durchgesetzt bekommt, indem er von Smartphones, Internet u. Ä. Abstand nimmt.

    Zudem finde ich den Hype darum ein wenig übertrieben. Na und dann landet meine E-Mail bei der NSA wenn dort eventuell gefährliche Inhalte drinne stehen. Ich glaube die Menschen regen sich nur so extrem darüber auf, weil der Mensch das braucht, das Leben wäre sonst langweilig, und weil den meisten Menschen es schlichtweg unangenehm ist zu wissen, da könnte ein NSA, Google oder Facebook-Mitarbeiter sehen welche schlimmen Dinge ich im Internet mache.

    Allein diese schreckliche Überheblichkeit, man selbst sei so wichtig, dass es DIE USA interessiert was ich im Internet mache. Es werden schlichtweg Daten gesammelt und kontrolliert und kein NSA-Mitarbeiter wird die E-Mails an meine Mutter mitlesen, da dort keine Dinge drinne stehen, die die NSA für relevant hält.

    VG
    Yan

  15. das Internet ist krank, das kann ich bestätigen. die Vielfalt der Nutzung aber wächst extrem schnell und auch vielseitig. ich denke in einigen Branchen steht das Internet erst vor seinem anfang und es gibt noch viel potential nach oben. beste grüße

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