Die neue Google Brille sucht ihre Entdecker (US) …
Ein Mann mit einer Brille und einer Beule in der Hose knallt gegen einen Laternenpfahl und stürzt zu Boden. Wie sich später herausstellt, trug er eine Google-Brille und zog sich gerade einen Porno rein. Dieses Szenario ist nicht mehr weit weg. Google lanciert seine neue Brille ähnlich geschickt wie einst Apple sein iPhone. Unter dem Slogan: „What would you do if you had Glass? Answer with #ifihadglass“ bietet der Findmaschinen-Multi nun einigen ausgewählten „Entdeckern“ die neue Brille an: für 1.500 Dollar (plus Mwst.). Bei all dem Hype um die zugegeben bahnbrechende Neuerung darf man jedoch nicht vergessen, dass diese Brille vor allem eins sein wird: eine physiologische und psychologische Herausforderung – ob der Nutzen die Risiken übersteigt, muss sich erst noch zeigen. (Siehe auch: Wie funktioniert die Google Brille?)
Doch zunächst zu der neuen Brillen-Offensive. Google hat das bereits seit ca. 2 Monaten bestehende „Explorer-Programm“ nun geöffnet: nun kann sich (fast) jede/r um eine der neuen Google-Brillen bewerben. Hier im Wortlaut:
We’re looking for bold, creative individuals who want to join us and be a part of shaping the future of Glass. We’d love to make everyone an Explorer, but we’re starting off a bit smaller. We’re still in the early stages, and while we can’t promise everything will be perfect, we can promise it will be exciting.
Frei übersetzt: Wir suchen kühne, kreative Menschen, die sich uns anzuschließen und Teil der Gestaltung der Zukunft der Brille werden wollen. Wir möchten jeden zum Explorer (Entdecker) machen, aber wir starten (zunächst) etwas kleiner. Wir sind immer noch in der Anfangsphase, und wir können zwar nicht versprechen, dass alles perfekt sein wird, aber wir können versprechen, dass es spannend wird.
Und dann der Aufruf zu einer typischen Viralkampagne:
Using Google+ or Twitter, tell us what you would do if you had Glass, starting with the hashtag #ifihadglass.
Frei übersetzt: Benutzt GooglePlus oder Twitter, sagt uns, was ihr mit der Google-Brille machen wollt, beginnend mit dem HAshtag #ifihadglass (#wennicheinebrillehätte) – Kein Facebook, logisch.
Dann kommen die „Teilnahmebedingungen“:
- Your application must be 50 words or less
- You must include #ifihadglass in your application
- You can include up to 5 photos with your application
- You can include a short video (15 secs max)
- Be sure to follow us on Google+ (+ProjectGlass) or Twitter (@projectglass) so that we can contact you directly
- You must be at least 18 years old and live in the U.S. to apply
- For more details, please see our full Terms and FAQ
Frei übersetzt:
- Die „Projektidee“ muss 50 Wörter umfassen oder weniger (!?) [Anm. Das treibt einen wohl eher zu Google+, denn ein Bewerbungsschreiben in weniger als 140 Zeichen?]
- Man muss das Hashtag … naja, dass hatten wir ja schon.
- Man darf bis zu 5 Fotos hinzufügen
- Man darf ein kurzes Video hinzufügen (max. 15 Sekunden)
- Man muss (!) dem ProjectGlass-Projekt bei Google+ oder Twitter folgen, damit sie einen auch direkt kontaktieren können [Anm. Nachtigall, ick hör dir trapsen…]
- Man muss mindestens 18 Jahre alt sein und in den USA leben [Anm. Bööhhh…]
- Und abschließend ein Link zu den kompletten Teilnahmebedingungen und FAQs
Also: das Ganze ist nur für US-Bürger gedacht. 1.500 Eur plus Mwst ist ne Hausnummer. Und wie viele Google davon raustut, wird nicht gesagt. Vielleicht sind es am Ende nur 10, aber die Kampagne wird auf jeder Fall ein Erfolg werden. Und was dann?
The deadline for applications is February 27th. If you are chosen, we will reach out to you with an invitation to become a Glass Explorer (please remember to follow us so that we can contact you directly). Explorers will each need to pre-order a Glass Explorer Edition for $1500 plus tax and attend a special pick-up experience, in person, in New York, San Francisco or Los Angeles.
Frei übersetzt: Einsendeschluss ist der 27. Februar – also in einer Woche. Wenn man ausgewählt wird, erhält man eine Einladung (daher soll man dem Account auch unbedingt folgen). Die Entdecker müssen eine Google-Brille für 1500 Dollor plus Steuern kaufen und werden ihre Brillen persönlich bei einem special-Pick-Up-Event in New York, San Francisco oder Los Angeles überreicht bekommen (wenn ich das richtig verstehe).
Man muss dem Account folgen, das Ganze cool und originell teilen, dann die Brille kaufen, um sie dann in L.A., S.F. oder N.Y. in Empfang nehmen zu dürfen. Wenn Menschen so verrückt sind, dann muss das Produkt super sein – so die Kampagnen-Strategie :-) Interessant, dass facebook natürlich mit keinem Wort erwähnt wird. Und das Wording „Explorer“ scheint mir auch ein grinsender Seitenhieb in Richtung Microsoft zu sein. Die Einschränkung auf US-Bürger erzeugt natürlich Neid im Rest der Welt, was den Hype natürlich entsprechend befeuert. Übrigens hat Google damit so en passant das neue Google Glass Logo gelauncht. Oder hat das jemand schon mal gesehen? Und auf der Website gibt es ein nettes Video, dass einige Sequenzen, die mit einer Google-Brille aufgenommen wurden, aneinander reiht (unter „How it feels„). Cool, natürlich …
Ach ja, und was Google auch nicht gesagt hat: als Brillenträger kann man leider auch nicht mitmachen. Denn die neue Google-Brille scheint ein geschlossenes Design zu sein. Echte Korrekturgläser sind offenbar (noch) nicht vorgesehen. Das schließt den Kreis der beteiligten leider nicht unerheblich ein …
Schön, aber …
Ich ahne schon, dass mit der neuen Google-Brille wieder neuer Ärger auf uns zukommt. Denn natürlich ist dieser kleine Minicomputer mit dem zusätzlichen Layer vorm Auge eine technische Meisterleistung. Aber: über die Nachteile und Risiken redet irgendwie keiner. Und wenn das Ding jetzt plötzlich bei uns vor der Einführung steht, dann ist es (mal wieder) zu spät…
Der Mensch hat fünf Sinne, von denen der visuelle Sinn mit Abstand am besten ausgeprägt ist. Die visuelle Wahrnehmung hat sich im Laufe von Jahrmillionen entwickelt. Dabei ging es stets darum, die Überlebenschancen zu verbessern. Heraus gekommen ist ein Wunderwerk, dass die visuelle Information auf vielfältige Weise verarbeitet, ehe sie ins Gehirn weitergeleitet wird. Diese visuelle Information ist normalerweise auf ein Bild beschränkt, und wir können unsere Augen steuern und dabei stets genau eine Sache fokussieren. Und das, worauf der Blick gerichtet ist, ist auch dass, was bewusst im Hirn verarbeitet wird. Mehr zur Frage: Wie funktioniert das Auge?
Die Natur hat unsere Augen nicht so konzipiert, dass wir einen zweiten visuellen Layer („augmented reality„) vor uns sehen. Der Fokus des Blicks und der Konzentration kann immer nur an einer Stelle sein. Wie genau die Steuerung laufen wird, ist noch nicht im Einzelnen beschrieben. Es wird wohl eine Mischung aus Knöpfen und Stellschrauben am Brillenbügel und Sprachsteuerung sein. Theoretisch ist auch eine Steuerung über Gesten oder Kopfbewegungen denkbar. Im Gegensatz zum Mobiltelefon wird man aber auf jeden Fall wenigstens zeitweilig beide Hände frei haben.
Die Datenmassen, die in unser Gehirn strömen, werden zunehmend komplexer – und nun kommt auf visuellem Weg etwas grundlegend Neues hinzu. Ich bin skeptisch, inwiefern unser Hirn das überhaupt noch verarbeiten kann. Ich denke, dass man solange Spaß an der Google-Brille hat, solange man sich auf sie konzentriert. Und genau das ist das Risiko …
[Die Abbildungen stammen von der genannten Google-Glass-Website.]
10 Gedanken zu „Die neue Google Brille sucht ihre Entdecker (US) …“
Zum letzten Abschnitt ein Gedanke: Während des Laufens auf sein Smartphone zu starren ist wohl ähnlich, wenn nicht noch gefährlicher.
Eh, ja, überlesen, entschuldige!
„Im Gegensatz zum Mobiltelefon wird man aber auf jeden Fall wenigstens zeitweilig beide Hände frei haben.“
Sehr gute Aktion, um den Hype um die Brille weiter zu pushen. Gerade durch eine Bewerbungsphase und den damit verbundenen Videos und Photos wird es wohl massig virale Werbung geben. Und das zum Großteil wohl auch beim Konkurrenten Facebook. Ich frage mich allerdings warum Google die Hürde 1500 Doller eingebaut hat. Dieser Betrag wird vielleicht den ein oder anderen kreativen Bewerber abschrecken.
@Fabian
Wenn Du tief in die Tasche greifst, um etwas zu erhalten, avanciert es zu einem Schatz. Wenn etwas günstig ist, wirkt es subjektiv „billiger“. Ein Grund, warum die Telekom keinen Bedarf hat, sich an Base und Co anzugleichen, wenn das irreführende Merkmal bleibt.
Cheers.
Also ich glaube dass es mit dem Teil große Probleme auf der Straße geben wird … ähnlich wie mit einer Sonnenbrille oder ganz normaler Brille mit getönten Gläsern. Glass lenkt viel zu sehr ab …
Und wer sichert meine Daten? Da hängt eine Kamera welche alles aufzeichnen könnte, was ich sehe wenn ich sie trage.
MfG
Ich denke, dass sich diese Brille wirklich erst in ein paar Jahren durchsetzen wird.
Die Angst vor Datenspeicherung halte ich aber für etwas übertrieben.
Schließlich wird derzeit auch alles aufgezeichnet was du mit einem normalen Smartphone machst. Zumindest wenn man an Google Maps etc. denkt.
Solche Features lassen sich immer ausschalten.
Ich halte eher die enorme Reizüberflutung für ein Problem
Also ich sehe die Brille nicht unbedingt als Ablenkung. Sie ist eben kleiner und praktischer als ein Laptop und handlicher als ein Smartphone. Ich denke nicht, dass ich sie im Straßenverkehr benutzen würde, wer weiß man müsste experimentieren, wie sie als Navigationssystem funktionieren würde. Natürlich hat sich das Auge über einen Evolutionären Prozess entwickelt, dennoch in den letzten 10.000 Jahren nicht mehr bedeutend.
Ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, dass schon bald ähnlich viele Leute mit Google Glass herumlaufen und Inhalte damit teilen. Mach ich ja mit dem Smartphone auch nicht ständig, sondern nur dann, wenn mir gerade was Teilwürdiges unter die Augen kommt. Dann würde ich auch in den Situationen (gerade als Nicht-Brillenträger) Google Glass aufsetzen, um ein Video aufzunehmen oder etwas zu teilen. Vielleicht gewöhnt man sich aber tatsächlich auch viel zu schnell daran und da wäre natürlich auch noch der Statussymbol-Effekt…
Denke auch nicht das in Zukunft jeder mit soner Brille unterwegs sein wird, das ist eher noch sehr entfernte Zukunftsmusik. Mal sehen wie sich das ganze noch so entwickelt.
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