20 Jahre Mauerfall: Die Medien und die Mauer

Ich erinnere mich, als sei es gestern gewesen: Am Donnerstag, 9. November 1989 fuhr ich gegen 17 Uhr bei meinen Eltern nördlich von Hamburg mit dem Auto los. Ich wollte zurück nach Berlin, wo ich bereits über ein Jahr wohnte und studierte. Es war die Zeit, in der man Kassetten in Auto hörte (Dire Straits und so Zeugs). Aus diesem Grunde bekam ich nichts von dem mit, was sich während der Fahrt ereignete. So gegen 18:30 kam ich an den Grenzübergang Gudow/Zarrentin. Wie immer – ich hatte die Tour bestimmt schon 25 bis 30 Mal absolviert – bekam ich bei Antritt der Transit-Strecke einen gestempelten Zettel in meinen Reisepass. Nicht Ungewöhnliches. Ich zuckelte mit meinen alten kupferfarbenen Audi 80 über die Holpersteinautobahn und reduzierte das Tempo, wie immer, an den bekannten Blitzer-Stellen auf die geforderten 100 kmh.
So gegen 20:30 erreichte ich dann den Grenzübergang Stolpe (Hennigsdorf). Und hier bemerkte ich zum ersten mal, dass etwas anders war: ich wurde ohne das obligatorische Pass-stempeln durchgewunken. Die Grenzposten hatten sich alle in einem der vielen Häuschen versammelt, schauten Fernsehen und unterhielten sich angeregt. Ich hab noch gedacht: Ohoh, die Jungs schauen bestimmt West-Fernsehen, die werden wohl noch Ärger bekommen. Dass an diesem Abend, während ich auf der Transitstrecke fuhr, die Berliner Mauer faktisch zum Einsturz kam, hätte ich im Traum nicht gedacht. Denn Günter Schabowski hatte um 18:57 verkündet: „Die ständige Ausreise kann über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin-West erfolgen.“
Gedenken an … oder doch lieber nörgeln?

20 Jahre Mauerfall sind ein guter Grund, dem Ereignis zu gedenken und nochmals allen damals engagierten DDR-Bürgern die Hochachtung auszusprechen. Aber das war es dann auch schon. Wenn ich mir die Berichterstattung und die Art der auseinandersetzung anschaue, dann frage ich mich, in welchem Film ich eigentlich gelandet bin. Es werden unsägliche Umfragen gemacht. Und fast alle großen Zeitungen glänzen mit Statistiken, die die Unterschiede zwischen Ost und West dokumentieren (sollen). Da stellt zum Beispiel der ARD-Deutschlandtrend fest, dass 63% der ehemaligen DDR-Bürger es heute ungerechter finden. Ah so? Und? Was soll der Schwachsinn? Warum veröffentlicht man nicht gerade an einem Tag wie diesem Umfragen, die sich auf alle Deutschen beziehen? Weil man so besser nörgeln kann?
In einer anderen Umfrage wurde ermittelt, dass 13% der ehemaligen DDR-Bürger und 12% der ehemaligen Westbürger die Mauer wieder haben möchten. Und alle regen sich darüber auf. Was mich viel mehr aufregt, ist, warum man nach wie vor in Umfragen diese Trennung macht. Die Medien sind doch die größten Spalter dieser Nation. Warum konstruieren sie – und leider nicht nur die Plumpen – nach wie vor diese Unterschiede? Bindet das Leser und Zuschauer? Oder was?
Die Mauer ist Vergangenheit

Die Unterscheidung zwischen DDR-Bürger und Westbürger spielt in meinem Leben und Umfeld nullkommanull Rolle. Die einzigen Momente, in denen das Thema ist, sind Erinnerungen an Kindheitsprodukte oder Figuren. Es gibt eben immer noch Leute, die nicht wissen, was eine Schlager Süßtafel war oder Ahoi-Brause. Nur: diese Erinnerungen finden immer in guter Laune statt.
Wenn es Menschen schlecht geht, oder das System Probleme hat oder bereitet, dann hat das nichts mehr mit DDR- oder Wessi-Menalität zu tun. In der Realität ist Deutschland längst vereint. Es gibt nur noch individuelle Biografien. Und die sind zwischen West und Ost genau so verschieden wie zwischen Nord und Süd. Nein, die Unterschiede zwischen Nord und Süd sind nach meiner Erfahrung größer…
Die Mauer ist weg, es lebe die Mauer
Und nun kommt so ein Verkehrsminister daher, und fordert, die Infrastruktur „in den Westbundesländern“ verstärkt fördern zu wollen. Bitte? „In den Westbundesländern…“? Wie blöd muss man eigentlich sein, um… Über den Sinn oder Unsinn dieser Maßnahmen kann man ja diskutieren, aber warum sagt er nicht: „in NRW und Bayern stecken wir mehr Geld in Verkehrsprojekte…“ ???
20 Jahre nach dem Mauerfall kann ich nur feststellen: Weder Politik noch Medien werden ihrer Verantwortung gerecht. Beide versuchen (in großen Teilen) nach wie vor und ohne Unterlass, die alten Floskeln und Klischees am Leben zu erhalten. Sie lieben die Mauer. Denn Fronten verkaufen sich besser…

Andere Blogs:
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4 Gedanken zu „20 Jahre Mauerfall: Die Medien und die Mauer“
Ich beobachte die künstlich aufrecht erhaltene Trennung von Ost und West ebenfalls kritisch. Gerade mir als Wessi, die in den Osten gezogen und dort glücklich ist, geht diese endlose Diskussion/Meinungsmache auf den Senkel. Ich musste meinen Umzug stellenweise verteidigen als es soweit war, dennoch lebe ich hier sehr glücklich. Ich könnte jetzt noch anfangen mit „die Mauer in den Köpfen einreißen“, aber das spare ich mir ;-)
Ich muss sagen, dass ich den ganzen Unterschiedsdebatten auch nicht viel abgewinnen kann. Das war gestern sogar Thema bei Anne Will. In meinem Umfeld spielt die Ost- oder Westherkunft keine Rolle, und ich bin froh darüber. Und es stimmt – man mache eine Umfrage a la „Ich stimme der dümmsten These der Welt zu“ und wird immer einige Pro-Stimmen erhalten. Darf man nicht so ernst nehmen :-)
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