SOPA: Internetpolizei im Wildwest-Stil – Das Urheberrecht am Scheideweg

SOPA: Internetpolizei im Wildwest-Stil – Das Urheberrecht am Scheideweg

STOP SOPA!

STOP SOPA!

SOPA geistert durchs Web. Matt Cutts, Danny Sullivan und viele andere Social-Popstars haben in ihren Avataren unten einen schwarzen Balken integriert, auf dem „Stop SOPA“ zu lesen ist. Es wird darüber spekuliert, dass die großen Dienste und Portale (Google, Twitter, facebook, Amazon, Wikipedia, Reddit, etc) am kommenden Mittwoch (übermorgen) ihre gesamte Webpräsenz „abschalten“ wollen. Hui… Was ist SOPA? Was ist davon zu halten? Und was ist zu bedenken, wenn man bei Anti-SOPA-Aktionen mitmachen möchte?

Matt Cutts Avatar (Stop SOPA)

Matt Cutts Avatar (Stop SOPA)

Ich halte die derzeitige Debatte für extrem wichtig und richtungsweisend. Denn das Ganze wird so oder so nach Europa herüberschwappen. Entweder wird das heute bekannte Internet in seinen Grundfesten erschüttert und sich fast alles ändern – oder es passiert im Prinzip nichts, aber das allgemeine Bewußtsein für das Urheberrecht wird dauerhaft ausgehebelt. Ein schlimmes Dilemma, in dass uns da die US-Hollywood-Lobby hinein manövriert hat…

Was ist „SOPA“?

SOPA bedeutet „Stop Online Piracy Act„. Es handelt sich um die Vorlage für ein amerikanisches Gesetz, das zur Zeit heiß diskutiert wird. Es soll am 24. Januar im US-Senat zur Abstimmung kommen. Die Brisanz des Gesetzestextes liegt in seiner Radikalität:

Das Gesetz würde es dem US-Justizministerium und Copyright-Inhabern erlauben, gerichtliche Verfügungen gegen die Betreiber von Internetseiten zu beantragen, die einen Verstoß gegen das US-amerikanische Copyright darstellen. Den Zweck der Maßnahme wählt der Antragsteller. Zum Beispiel kann eine Verfügung Werbeagenturen und Bezahldiensten die Zusammenarbeit mit Inhabern betroffener Internetseiten untersagen und so das Tätigen weiterer Geschäfte verhindern.

Auch das Anzeigen der Internetseite in Suchmaschinen könnte blockiert werden. Durch das Gesetz würde das Herunterladen geschützter Inhalte zu einer schweren Straftat. Denjenigen Internetprovidern, die gegen vermutlich rechtswidrigeInternetseiten vorgehen, würde Straffreiheit gewährt. Gleichzeitig würde jeder Copyright-Inhaber, der wissentlich falsch darstellt, dass eine Internetseite dementsprechende Gesetzesverstöße begeht, hierfür strafrechtlich belangt werden.

Quelle: Wikipedia

Mit anderen Worten: jeder, der urheberrechtlich geschützte Inhalte im Internet anbietet, kann strafrechtlich verfolgt werden. Das würde insbesondere auch für diejenigen gelten, die es physisch tun wie Hoster oder Dienste. Anklagen kann neben dem US-Justizministerium jeder Inhaber von Urheberrechten. Ganz praktisch werden das voraussichtlich die großen Lobbies sein. Mir graust vor dieser unkontrollierten Machtfülle und der potentiell willkürlichen Zensur . Die amerikanische Filmlobby als zukünftige Internet-Polizei …

Hier ein Video, dass die Zusammenhänge erläutert:

Das Ende der Bildersuchmaschinen und Video-Portale?

Google Bildersuche am Ende?

Google Bildersuche am Ende?

Sollte das Gesetz durchgehen, dann können die Bildersuchmaschinen einpacken: denn es ist für Google oder Bing, Facebook, tumblr und so weiter doch überhaupt nicht kontrollierbar, wer die Urheberrechte an einem Bild tatsächlich innehat. Natürlich ist das ein Problem, aber durch eine Internetpoliziei im Wildwest-Stil kann man es doch nicht ernsthaft global lösen wollen. Auch youTube dürfte in seiner jetzigen Form kaum überleben, obwohl der Algo zum aufspüren geklauter Filme oder Musikstücke recht gut funktioniert. Aber natürlich klappt das eben nur, wenn man die Urheber-Inhaber kennt und die fraglichen Sequenzen zum Vergleich hat. Für die US-Filmindustrie dürfte youTube also im Grunde kein Problem sein, wohl aber die Millionen kleiner Rechteinhaber, die dann youTube entsprechend verklagen könnten.

Das Ende des Urheberrechts?

Problem Urheberrecht

Problem Urheberrecht

Ich halte die gesamte Initiative für einen großen Fehler. Denn so oder so wird es gravierende Auswirkungen haben: Falls das Gesetz durchkommt, dann wäre sowieso alles anders. Ich rechne jedoch damit, dass SOPA scheitert. Und das wiederum hätte in meinen Augen einen schlimmen Beigeschmack: denn dann würde der Eindruck verstärkt, als wären Urheberrechte im Internet irrelevant. Ich verweise noch mal auf das Interview in BrandEins mit dem Juristen Karl-Nikolaus Peifer, der brillant darlegt, dass das Internet (z.B. Google) eine neue Lebenswelt eröffnet hat, die nicht mit dem herkömmlichen Rechtsempfinden zusammenpasst. Zitat:

Das Geschäftsmodell Suchmaschine hatte kein analoges Pendant und demzufolge auch keine juristische Übersetzung. Die Juristen wussten schlicht nicht, wie sie mit Google umzugehen haben, und deswegen konnte es sich unreguliert entwickeln und groß werden.

Quelle: BrandEins

Ich befürchte, dass das gescheiterte SOPA vermutlich das Rechtsempfinden, dass man im Internet sowieso machen kann, was man will, verstärken wird. Natürlich finde ich das auch nicht toll. Letztlich müssen wir ein differenziertes, fein ausgewogenes Modell finden, dass allen Seiten gerecht wird. Denn das Internet wird durch eine immer selbstbewusstere Generation gebildet, die in der Konsequenz ihre eigenen Gesetze macht und machen wird. Hier passt noch mal die legendäre Rede vom Geisteswisselnschaftler Peter Kruse zum Thema Internet und Social Media:

Eine neue Ethik des Internets

Das Ausspielen der Positionen „Entweder SOPA – oder gar kein Urheberrecht“ schadet letztlich unser aller Kultur. Das Urheberrecht muss meines Erachtens dringend reformiert werden: allerdings nicht mit Drohungen und Restriktionen, sondern im Sinne der Verteidigung eines Wertes. Künstlerische Werke sind eben Werte, von denen alle profitieren, und als solche Gesellschafts-prägend. Das Erstellen solcher Werke / Werte ist ein mit Arbeit verbundener Akt, der nicht (zwingend) kostenfrei zur Verfügung gestellt wird.

So abgedroschen es vielleicht klingt: wir brauchen keine neuen Gesetze, sondern wir müssen die Ethik unserer Kultur reformieren und für das Internet nutzbar machen.

SOPA-Aktionen und SEO

Abschließend noch eine kleine Bemerkung zu den geplanten Anti-SOPA-Aktionen. Die folgenden Anbieter denken darüber nach – oder haben sich bereist dafür entschieden, am kommenden Mittwoch ihre Webpräsenzen für 12 Stunden „abzuschalten“:

  • Reddit
  • Amazon
  • Wikipedia
  • Twitter
  • Google
  • Yahoo

Da Deutschland an sich (noch) nicht betroffen ist, wird fraglich sein, ob sch deutsche Firmen beteiligen. Zumindest bei Spreeblick wird man ebenfalls für 12 Stunden die Lichter ausknipsen. Aber: was passiert dann eigentlich aus Suchmaschinensicht? Eine Website, die 12 Stunden nicht für einen Crawler erreichbar ist, dürfte einige Schwierigkeiten bekommen. Ich würde daher empfehlen, eine neue „Anti-Sopa“ Seite anzulegen, und dann per 302 auf diese Seite weiterzuleiten. Noch besser und eleganter ist es aber sicherlich, einfach nur in den Header ein Bild mit der Aufschrift „STOP SOPA“ zu legen zumindest aus Suchmaschinensicht.

Update: Matt Cutts hat via Twitter empfohlen, diesen Beitrag zu beachten: „Website outages and blackouts the right way“ (Google+)

Ich vermute allerdings, dass Google an dem kommenden Mittwoch gar nicht crawlen wird. Denn ansonsten würden die Serps an den kommenden Tagen sicherlich ordentlich durcheinander gewirbelt…

Fazit

Protest gegen SOPA ist sicherlich sinnvoll. Ich werde mich hier im Blog ebenfalls solidarisieren, weiß aber noch nicht, wie… Mal sehen, ob mir noch was anderes einfällt als einfach nur „abschalten“…

Update: eben bei Netzpolitik gelesen: USA: Netzsperren fliegen bei #SOPA raus?

Quellen und weitere Artikel

Oder hier im Blog weiterlesen…

22 Gedanken zu „SOPA: Internetpolizei im Wildwest-Stil – Das Urheberrecht am Scheideweg

  1. Wow, ich habe zwar in den letzten Tagen auf Twitter immer mal wieder das Synonym „SOPA“ in meiner Timeline entdeckt, doch wirklich weitergelesen habe ich nicht. Drum danke ich dir sehr für diesen überaus aufklärenden Beitrag. Man sollte sich also mal ein bisschen auf dem Laufenden halten.

    Dann bereite ich wohl mal einen vorübergehenden Header mit „STOP SOPA“ vor. Falls es dann so sein sollte, dass Google generell keinen Crawler losschickt, dann soll dem so sein. Spannend was da so auf uns zukommt im Jahr 2012 … vielleicht geht ja doch alles den Bach runter ;-)

    Liebe Grüße, Patrick

  2. Hallo Martin,
    ich kann mich da nur anschließen, vielen Dank für die Aufklärung.
    Deinen Standpunkt bzw. dein Fazit finde ich sehr gelungen.

    Beste Grüße,
    Jonas

    PS: In der Aufzählung ist Amazon zweimal dabei..

  3. Mit Sicherheit wird dieses Gesetz erst einmal scheitern. Bei Youtube und Co arbeiten ja nicht nur 3 bis 4 Mitarbeiter, in diesem Bereich arbeiten hunderte wenn nicht sogar tausende von Mitarbeitern in des besagten Firmen.

    Vielleicht finden die großen Konzerne einen Kompromiss, verschärfen eventuell ihre AGB’s und Richtlinien. Oder Google entwickelt irgendwie ein Programm, das es möglich macht, Urheberrechtsverletzungen bei Bildern zu erkennen.

    Zumindest ist das Urheberrecht im Internet mal wieder ein weltweit heiß diskutiertes Thema.

    1. Du spielst damit auf die Argumentation an, dass ohne SOPA so viele Arbeitsplätze zerstört würden, richtig? Ja, stimme Dir zu: diese Argumentation hinkt von vorn bis hinten. Und das geht vor allem meilenweit an dem eigentlich Problem vorbei.

  4. Die ganzen Auswirkungen die SOPA haben könnte, muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen; eine einzige Verfügung – könnte bereits den Ausschluss von Google, Facebook etc. bedeuten – Das wäre echt der Hammer!!!

  5. >> Hier passt noch mal die legendäre Rede vom Geisteswisselnschaftler Peter Kruse zum Thema Internet und Social Media

    Es ist aus meiner Sicht nicht abwegig, davon auszugehen, dass das Urheberrecht nur ein Vorwand ist, um die in dieser Aussage steckende Wahrheit im Bezug auf die weitere Entwicklung und den Resultaten daraus zu unterbinden…

    1. Naja, selbst wenn es so inszeniert gewesen wäre, dann scheint der Schuss nach hinten los gegangen zu sein…
      Schreibe gleich ein Update zu aktuellen Situation.

  6. Hallo Martin!

    Danke für den Artikel, wie auch schon vorposter beschrieben habe, zähle ich zu denen die davon gehört haben die letzten Tage, aber nicht davon gelesen haben.

    Vielen Dank an deinen sehr ausführlichen Artikel – wie immer super netter Liebevolle Arbeit.

    Ich hoffe natürlich das du uns alle auf den laufenden haltest.

    Sollte das wirklich in kraft treten, was ich nicht denke – wären „alle“ im „Arsch“ so zu sagen und zu klagen. Ich denke es wird eine verschwächte Version davon geben. Man kann nicht alles Zensieren – nicht alles..

    Wer Zensiert denn bitte die Politiker oder Staaten? Die Unmengen an Daten von mir haben, Bilder von meinen Auto, unterlagen etc… Wenn ich mir das so durch den Kopf gehen lassen versuche manche wirklich die Menschheit zu Versklaven. Ich denke aber dafür sind wir zu groß – das man das mit uns machen kann. Ich sage bewusst uns – denn ohne Webadmins gibt es keine User die Surfen, ohne Surfer keine Kunden – kein Umsatz etc. etc…

    Wer aber auf solche Gesetze kommt, gehört Zensiert mit dem schlimmsten mittel. Da war der Herr aus den 1641er kein Engel mehr – aber sowas… Die Weltweiten folgen vor allem, denn Deutschland Österreich, Frankreich, oder sagen wir Europa muss dann auch nachziehen.

    Da solch eine Entscheidung aber nicht alleine getroffen werden kann – werden sich wohl viele Aktivisten finden lassen die auch ordentlich Dampf machen – ich hoffe das sie das wirklich tun. (Anonymous, Türkischer Hacker Gruppen etc. etc.)

    lG

  7. SOPA ist mal wieder absoluter Bürokraten-Schwachsinn und schon allein deshalb zum scheitern verurteilt. VIEL HEISSER BREI UM NICHTS – MEINE MEINUNG

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